Die Freunde der tschechischen Traditions-Automarke Tatra rollten durch Mittenwalde und wogen auf dem Salzmarkt Salz ab
MITTENWALDE - Es rumorte und knatterte, eine Hupe klang wie ein Vogelschrei: Eine lange Kette von Automobilen, die vor Jahrzehnten nagelneu waren, drehten am Freitag auf dem Mittenwalder Salzmarkt eine Runde.
Limousinen in noblem Schwarz und knalligem Rot, Cabriolets mit halbhohen Türchen über breiten Trittbrettern, mit freistehenden Scheinwerfern und Rückspiegeln auf Radblechen bestimmten das Bild. Einige Fahrer hatten ihre Kleidung dem Alter ihrer geliebten Kisten angepasst, trugen Automobilisten-Kappe und Schutzbrille, Knickerbocker, Weste und Fliege.
Der internationale Tatra-Club hatte sich von Berlin-Köpenick aus zu einer Rundfahrt in den Spreewald aufgemacht und deren Spaßfaktor mit Geschicklichkeitstests und anderen Prüfungen erhöht. In Mittenwalde sorgte dafür Birgit Thinius vom Oldtimerverein. „Auf dem Salzmarkt lassen wir das Gewicht von Salz schätzen“, sagt sie. Jeder Rundfahrer hatte eine vorgegebene Menge in eine Schale zu füllen, die sodann gewogen wurde. Je näher er der Vorgabe kam, desto besser.
Der Österreicher Helmut Hoffmann verschätzt sich nur um ein paar Gramm. Er hat sein Tatra-Cabrio aus dem Jahre 1934 auf dem Hänger nach Berlin gebracht. „Nur wegen dem Wetter“, versichert er, „der Wagen hätte auch die ganze Strecke geschafft.“
Ein paar morgendliche Regentropfen waren auch für den Thüringer Gernot Beez kein Grund, das Verdeck seines sportlichen Zweisitzers aufzuklappen. „Frische Luft beim Fahren ist herrlich“, schwärmt er. Aus vielen Gründen liebt er sein Gefährt: „Es ist ein seltener Typ mit verlässlicher Technik. Sie springt immer wieder an.“
Ein paar Meter weiter parkt ein anderes Autozeitalter. Gerundete Formen und breit gezogene Glasfenster verleihen den schnittigen Karossen Eleganz. Eine davon mutet wie ein Amphibienfahrzeug an – sie trägt stolz die berühmte Tatra-Heckflosse.
Fünf Meter lang ist der 1967 zugelassene Tatra 603 des Leipzigers Andreas Fährmann. „Er stammt aus dem Fuhrpark des DDR-Staatsrates“, erzählt er. Nach zwei Unfällen sei er ausgemustert und dem Chef des Urania-Verlags als Dienstfahrzeug übergeben worden. „Nach der Ölkrise sollte wenigstens die zweite Funktionärs-Garnitur auf spritsparende Modelle umsteigen, und mein Vater, ein Malermeister, konnte das gute Stück erwerben.“
Nicht nur die berühmte tschechische Automarke kreist durch die Altstadt. Auch Trabants, Wartburgs und Wolgas zieht die Parade der rund 30 Tatra-Freunde an. Karl-Heinz Baetz aus Zeuthen ist mit seinem fast acht Jahrzehnte alten Stoewer Greif gekommen. „Es ist die erste Stromlinienkarosserie, die in Deutschland hergestellt wurde“, erläutert er. „Der Stoewer ist im Grunde ein Tatra-Lizenzbau, bei dem aber nicht mehr viel an das Ausgangsmodell erinnert.“
Während die Mittenwalder die altertümliche Autokolonne bestaunen, kümmern sich Melanie Baschin und Guido Tottewitz vom Feuerwehr-Förderverein um das Salzwiegen. Nicht nur dafür, auch als Mitorganisator des Oldtimer-Treffen im August hat Birgit Thinius ihren Verein gewonnen.
„Ein Nürnberger sollte 780 Gramm abfüllen und hat genau 780 Gramm getroffen“, bilanziert Wiegemeister Tottewitz. Während sein Erfolg in die Tageswertung eingeht, erhält der Sieger in Mittenwalde das gleiche Präsent wie die, die mit ihren Schätzungen danebenlagen: eine Souvenir-Tüte der Verwaltung mit Stadtmagazinen, Feuerzeug und Pflastern – falls bei der Autoreparatur mal ein Finger hängen bleibt.
Konrad Steffen aus Berlin hat seinem Mitfahrer mit dem Ratschlag „Tu noch einen Schlag drauf“ gerade das Wiege-Ergebnis vermasselt. Doch der nimmt es nicht krumm. Jetzt müssen sich die beiden beeilen, denn sie gehören zu den Letzten. „Wir hätten die Tour über die Autobahn abkürzen können“, scherzt Steffen. „Aber dann hätten wir das schöne Mittenwalde verpasst.“ (Von Klaus Bischoff)